Luise
Geschichte eines Lebens
Elisabeth Telsnig
ISBN: 978-3-99126-202-2
19×12,5 cm, 118 Seiten, zahlr. S/W-Abb., Hardcover
18,00 €
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Kurzbeschreibung
Elisabeth Telsnig dokumentiert das kurze und tragische Leben der jungen Luise, die als Mädchen ihr Heimatdorf St. Johann am Wimberg verließ. Sie ging ins Rheinland, wo sie als Hausmädchen arbeitete und ihre große Liebe – einen französischen Offizier – traf. Als seine Truppen 1925 nach Nordafrika verlegt wurden, erkrankte sie und kam in die Psychiatrie. Krankenakte und psychiatrische Gutachten belegen akribisch den Leidensweg der jungen Frau.
1941 endete ihr kurzes Leben in der Gaskammer von Hadamar.
Rezensionen
Susanna Berger: „Nun hat Luise doch noch ihr Denkmal“Sie startete in ein hoffnungsfrohes Leben und endete in der Gaskammer: Die Salzburger Autorin Elisabeth Telsnig schrieb das Leben von Luise Hofer auf.
„Luise ist eine junge Frau vom Land. Ende des 19. Jahrhunderts geboren, intelligent. Hübsch und mit einem starken Willen ausgestattet. Eine Frau, die von einem besseren Leben träumt, von der großen, weiten Welt, von einem Leben in Frankreich, ja vielleicht sogar in Paris, an der Seite eines wohlhabenden Mannes.“ Mit diesen Worten beschreibt die Salzburger Kunsthistorikerin und Autorin Elisabeth Telsnig die Frau, deren Leben sie in ihrem jüngsten Werk „Luise – Geschichte eines Lebens“ aufgegriffen hat. Bereits beim Lesen dieser Zellen ahnt man, dass das Leben von Luise Hofer, geboren am 3. Mai 1897 in St. Johann am Wimberg im Mühlviertel, nicht nach Wunsch verläuft. Vielmehr endet es knapp 44 Jahre später in der Gaskammer von Hadamar, einer Tötungsstation im deutschen Hessen während der Nazizeit.
„Ich bin über Umwege durch meine Arbeit bei der Lebenshilfe in Ried im Innkreis auf diese Geschichte gestoßen“, erzählt Telsnig. Dort begleitete sie 20 Jahre lang Menschen mit Behinderung in ihrem kreativen Schaffen. Einer von ihnen ist Josef Hofer, 78 Jahre alt und ein bekannter Art-brut-Künstler. Bei Gesprächen mit einer Verwandten Hofers vor acht Jahren sei die Sprache auf eine Tante Luise gekommen, die vergast worden sei. Telsnig horcht auf und beginnt mit dem Einverständnis der Familie zu recherchieren. Was sie antreibt, ist die Tatsache, dass es in Luise Hofers Leben keine Erinnerung gibt. Keinen Grabstein, keine Inschrift mit Lebensdaten, keine Urne. „Ich fragte mich, ob es möglich ist, dass ein Mensch vergessen und aus dem Familiengedächtnis gestrichen wird.“ Die Recherchen – vor allem in Luises Krankenakte im Oberösterreichischen Landesarchiv – bringen Erstaunliches zutage, auch viel Leid.
Klar ist heute, dass Luise als junge Frau ihren Heimatort verließ und ins Rheinland ging, um als Hausmädchen zu arbeiten. Dort lernte sie den französischen Offizier André B. kennen. „Für Luise begann ein aufregendes Leben, sie liebte diesen Mann über alles. Er dürfte einer wohlhabenden, adeligen Familie entstammt sein, worauf eine mit einem Familienwappen bestickte Stoffserviette hinweist.“ Aus dieser Zeit gibt es eines von nur zwei Fotos von Luise. Es zeigt sie mit ihrer jüngeren Schwester Käthe, die sie in Wiesbaden besuchte. „Das war einer der letzten Kontakte der Familie mit Luise“, so Telsnig.
Doch das Glück währte nicht lange. Als die französischen Truppen 1925 nach Nordafrika verlegt werden und André B. Deutschland verlassen muss, bricht eine Welt für sie zusammen. Nach einem Überfall in der gemeinsamen Wohnung bei Frankfurt am Main erkrankt Luise und wird in eine Psychiatrie im nahen Eichberg eingeliefert. Für die damals 28-Jährige beginnt ein Martyrium. Den Rest ihres Lebens verbringt sie in psychiatrischen Heilanstalten in Deutschland und Linz. Am 21. Februar 1941 wird Luise in die Tötungsanstalt Hadamar transportiert. Noch am selben Tag stirbt sie durch Vergasung.
„Die Familie erhielt eine Nachricht, dass Luise an einer Lungenentzündung verstorben ist. Doch auch diesen Brief gibt es nicht mehr.“ Ihre Urne sei nie angefordert worden. Für Telsnig nicht verwunderlich. Noch dem Krieg habe man es vermieden, mit psychisch kranken Menschen in Verbindung gebracht zu werden, um nicht selbst in Schwierigkeiten zu kommen.
Mit der Veröffentlichung von Luises Geschichte hofft Telsnig, einen Beitrag für einen offeneren Umgang mit psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft geleistet zu haben. Sowie den Fokus einmal mehr auf das Thema Euthanasie gelenkt zu haben. Nicht zuletzt habe Luise so nun doch noch ein Denkmal erhalten. Die Recherchen zu Luises großer Liebe André B. waren erfolglos. Kontakte zu französischen Militärarchiven blieben ergebnislos.
(Susanna Berger, Rezension in den Salzburger Nachrichten vom 16. Oktober 2023, S. 8 f.)
https://www.sn.at/salzburg/chronik/bewegendes-frauenschicksal-nun-luise-denkmal-146975173
Nora Bruckmüller: „Jemanden totzuschweigen ist, als ließe man ihn ein zweites Mal sterben“
Ein Buch bringt die tragische, verdrängte Geschichte des NS-Opfers Luise Hofer ans Licht
Vor den Augen „ihrer“ Autorin ist die Mühlviertlerin Luise Hofer wieder zum Menschen geworden. Anders lässt es sich nicht beschreiben, so liebevoll, wie Elisabeth Telsnig über „die Luise“ spricht. Für die Wahl-Salzburgerin war sie ein „hübsches, intelligentes, lebendiges“ Wesen. Ihre tragische, verschüttete Geschichte hat Telsnig nun für ihr biografisches Buch „Luise. Geschichte eines Lebens“ mühevoll geborgen. Es handelt von einem Lebensentwurf, der brutal zusammenbrach. Und von einem Menschen, der in die Todesmaschinerie der Nazis geriet.
Luise Hofer wurde am 3. Mai 1897 in St. Johann am Wimberg (Ortschaft Petersberg) als viertes Kind des Pfeifenmachers Anton Hofer und seiner Frau Maria geboren. Wohl noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann sie im deutschen Wiesbaden für eine bessergestellte Familie als Hausmädchen zu arbeiten. 1918 traf sie André. Er war adelig, ein französischer Offizier und Mitglied der Besatzer des Rheinlands.
Ein „Trostbrief“ für die Familie
Luise gab ihre Stelle auf und lebte mit André. 1925 wurde er jedoch nach Marokko versetzt. Luise wurde allein in ihrer Wohnung überfallen und zusammengeschlagen. Sie hatte „die Liebe ihres Lebens“ und damit als Frau jede finanzielle und soziale Sicherheit verloren. „Luise galt auch als Kollaborateurin. Sie hatte mit dieser Beziehung hoch gepokert“, sagt Telsnig. Für die damals 28-Jährige und ihre Psyche sei all das, sagt Telsnig, ein „Super-GAU“ gewesen.
Nach einem Vorfall mit einem Revolver kam die Oberösterreicherin ins Spital und dann in die Heil- und Pflegeanstalt Eichberg im Rheingau (1925–1929). Es folgten zehn Jahre in Niedernhart (heute Neuromed Campus Linz.) Im Oktober 1939 kam sie nach Eichberg zurück, am 21. Februar 1941 in die Tötungsanstalt im deutschen Hadamar. Ein NS-Arzt tötete die 44-Jährige noch am selben Tag, er drehte das Gas auf. Luise Hofer wurde Opfer des Massenmordes an psychisch Kranken, den die Nazis 1939 begonnen hatten und „Euthanasie“ nannten.
Die Familie bekam einen an Zynismus nicht zu übertreffenden „Trostbrief“, die Tochter sei „an Lungenentzündung“ gestorben.
Es war dann Telsnig, die 74 Jahre später, 2015, begann, Mauern des familiären Schweigens abzutragen. Deren Fundament war massive Angst, die lähmte. In den finalen Wochen das Zweiten Weltkriegs wurde in die Familie Hofer ein Kind mit Beeinträchtigung geboren, aus dem ein renommierter Art-brut-Künstler werden sollte: Josef „Pepi“ Hofer, Luises Neffe.
Nach den damaligen NS-Gesetzen hätte die Geburt eines beeinträchtigten Babys gemeldet werden müssen, was nicht geschah. Dies hätte auch dessen Tod bedeutet und die Zwangssterilisation weiblicher Angehöriger. Josef Hofer wuchs abgeschottet auf dem Hof der Familie auf. Telsnig war Josef Hofers Begleiterin, Kuratorin und Chronistin. Und als solche hatte sie oft das Gefühl, dass die frühe Abschottung des Künstlers „mehr“ bedingte als allein Angst davor, Pepi dem Spott anderer Kinder auszusetzen oder der Willkür der russischen Besatzer. Eines Tages, Telsnig arbeitete sich für ein anderes Projekt durch fast 28.000 Akten der Landesheilanstalt Salzburg, die ihr die heftige Dimension der NS-„Euthanasie“ offenbarten, erzählte es ihr Josef Hofers Sachwalterin, seine Cousine, doch: Eine Tante Josefs wurde vergast.
Es war Luise. Telsnig ließ ihre Geschichte nicht mehr los, sie zapfte „minimale Erinnerungen“ an und begann umfassende Recherchen, „weil es mich einfach sehr beschäftigt hat, wie man jemanden dermaßen aus dem Gedächtnis einer Familie streichen kann. In mir hat sich alles gegen dieses Vergessen und Verdrängen gewehrt. Ich glaube, es ist wichtig, dass Menschen in meiner Generation Mut haben, nachzufragen, was mit Verwandten wie Luise war, um auch psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren. Sie können jeden treffen.“ Zudem werde im Vergleich zum Gedenken an den Holocaust, „was gut und richtig ist“, die NS-„Euthanasie“ zu sehr weggeschoben.
„Jemanden totzuschweigen, ist jedoch, als würde man ihn ein zweites Mal sterben lassen.“
(Nora Bruckmüller, Rezension in den Oberösterreichischen Nachrichten vom 31. Oktober 2023, S. 16)
Christina Repolust: Wolken wird es immer geben
Erzählt man Geschichten von Menschen und lässt deren Familiennamen im Titel weg, entsteht eine besondere Dynamik und Dramatik: Luise, die schöne junge Frau aus dem Mühlviertel, mit pechschwarzem Haar und hellgrünen Augen, die nach Wiesbaden zieht und dort glücklich werden möchte, trägt den Familiennamen Hofer. Es wird viele Luises mit vielen Hoffnungen damals gegeben haben. Ihre „Biografin“ bzw. „Chronistin“, die Kunsthistorikerin Dr.in Elisabeth Telsnig, nimmt ihre Spur auf, recherchiert und bricht damit einmal mehr das Schweigen über Krankenmorde. Luise wurde in den Gaskammern der Tötungsanstalt Hadamar im Februar 1941 ermordet: Dazwischen liegt ihr Leben, die Familie im Mühlviertel, ihre Zeit während der „Golden Twenties“ im Rheinland, ihre Liebe und Beziehung zu André, einem Offizier, der Luise seine Wohnung überlässt. Dort wird sie 1925 überfallen, beginnt, unter Angstzuständen zu leiden und mit Andrés Waffe auf der Straße um sich zu schießen. Telsnig stellt sich und ihrem Publikum die richtigen Fragen: Wie reagierte Luises Familie auf deren Unterbringung in einer Heilanstalt bzw. die Auflösung ihres Haushalts im Jahr 1926? Als Luises Leidensweg beginnt, ist sie 28 Jahre, bei ihrer Ermordung 44 Jahre alt. […]
(Christina Repolust, Rezension in: Apropos. Die Salzburger Straßenzeitung Nr. 251, August 2024, S. 25)
Hörproben
»Eine Recherche gegen das Vergessen – Wie Elisabeth Telsnig die Geschichte der 1941 ermordeten Luise Hofer erforschte«
Ein von Miriam Steiner für die ORF Radio Österreich 1-Sendereihe „Moment“ gestalteter Beitrag (Erstausstrahlung: 14. Februar 2024)