Die Chronistin
Roman einer Landschaft in den Tauern
Gertraud Steiner
ISBN: 978-3-99126-105-6
24,5×17 cm, 324 Seiten, Hardcover m. Lesebändchen
24,00 €
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Kurzbeschreibung
Ein alter Markt Innergebirg, eine zugereiste Chronistin auf Spurensuche und ein schillerndes Projekt, das sich „Living History“ nennt.
Zwölf Geschichten, Phantasiestücke und Spiegelbilder, kreisen um ein erfundenes, wiedergefundenes Triegen im Salzburger Land.
Triegen heißt der Ort, um den es hier geht. Ein zwielautiger Name, der schwer über die Lippen geht, aber einfach zu lesen ist.
Nach der Geschichte dieses alten Marktes forschte eine Chronistin, die vor Ort aus verstaubten Dokumenten und nicht immer vertrauenswürdigen Berichten einiges aufgelesen, in Erfahrung gebracht hat, bevor sie, bereits andernorts in Aufenthalt, davon zu erzählen begann. Damit hat vieles ein neues Gesicht, einen anderen Namen bekommen.
Triegen ist auf alten Landkarten, sogar auf Google Earth zu finden, aber hier nicht gemeint. Vorsicht auch, was die Ereignisse und Begebenheiten betrifft, die zur Sprache kommen. Sie sind aus dem Blickwinkel der Chronistin erfasst und gestaltet, auf die Art lebendig geworden.
Wie der Name Triegen schon anklingen lässt, täuscht manches.
Triegen ist ein erfundener Ort, aber mit seiner Geschichte und den Menschen, von denen erzählt wird, im Lungau verwurzelt.
Rezensionen
Manfred Stangl: [Rezension]Gertraud Steiner ist als Sachbuchautorin bekannt, die zahlreiche Bücher mit Salzburg-Bezug verfasste. Nun versucht sie ihr umfangreiches historisches Wissen in einem Roman zu bündeln. Der fiktive Ort, an dem die Chronistin eine Geschichte schreiben soll, um besondere historische Persönlichkeiten der Region zu ehren, ist im Lungau angesiedelt. Eine interessante Gegend, die am Oberlauf der Mur gelegen, zahlreiche Einflüsse durch die Steiermark und Kärnten erfuhr.
Wir lesen von Hexenverbrennungen, die als Opfer gerne herumstreunende Kinder und selbstständige Frauen trafen, von den Feigheiten in der Nazi-Zeit und vom Mut rebellischer Charaktere, die sich bücherkundig – versorgt mit Bibeln aus dem deutschen Raum – gegen den Katholizismus stellten. Selbst das Altertum mit der römischen und keltischen Besiedlung wird behandelt, die Awaren- und Slawenzeit gestreift.
Ein sehr starkes Buch für alle, die an Geschichte interessiert sind, speziell eben die lokale, von der ausgehend, bedeutende Schlüsse auf unseren Raum gemacht werden können. Die Lektüre erscheint mir unbedingt empfehlenswert.
(Manfred Stangl, Rezension im Pappelblatt. Zeitschrift für Literaturkritik, Menschenrechte und Spiritualität, Heft 30, Herbst/Winter 2023, S. 65)
Gernot Peter Obersteiner: [Rezension]
„Living History“ nennt sich das Projekt, mit dem in der – fiktiven – Marktgemeinde Triegen im Salzburgischen Lungau ein Geschichtswanderweg entstehen soll, aufgehängt an Lebensbildern von Einwohnerinnen und Einwohnern vergangener Jahrhunderte. Der zwielautige Ortsname, der schwer über die Lippen geht, ist bewusst gewählt, weckt er doch Assoziationen zum Ungefähren, Trügerischen und gar auch zur Intrige. Und in ein solches Umfeld taucht die mit der Recherche beauftragte Chronistin ein, als die im Nachbardorf Aufgewachsene nach langen Jahren auswärts in den Geburtsort ihrer inzwischen verstorbenen Mutter zurückkehrt. Drei Jahre Arbeit stehen ihr hier bevor, im Auftrag und unter Aufsicht des Bürgermeisters anhand eines ihr ausgehändigten Exposés.
Für möglichst profunde Inhalte der Info-Tafeln forscht sie neben gedruckter topographischer Literatur zum Lungau, Matrikenbüchern und Chroniken besonders im ungeordneten und fingerdick verstaubten Gemeindearchiv, das im „Markterturm“ untergebracht ist und ihr als eine absurde Fundgrube for Geschichtsfreunde, selbst für die neuere Zeit noch, mehr Grube als Fund erscheint, wo sie unter Bergen von übelriechendem, fleckigem, gelbstichigem Papier die alte Zeit erwartete, deren schriftliche Zeugnisse in Kartons blindlings zusammengestopft worden waren. Daneben findet die Chronistin bei ihren Recherchen allmählich Kontakt zu schrullig-eigenbrötlerischen Einwohnern der Gegenwart – darunter dem eigentlichen Gemeindechronisten und resignierten Kritikaster Prof. Herbert Schwanthaler –, in deren Erinnerungen sich ihre Erkenntnisse aus den archivalischen Dokumenten spiegeln. Einer der Informanten hat sogar in Graz, dem Studienort seines Sohnes, beim Archiv angeklopft und versucht, dort weiterzukommen.
In zwölf Erzählungen, angesiedelt in Triegen und Umgebung, verknüpft Gertraud Steiner die Biographien ihrer handelnden Personen schwerpunktartig mit der Geschichte des Lungaus, mit Wirtschaft und Sozialem, mit Kultur, Musik und Volkskunde, mit Kirche, Gesellschaft und am Ende auch mit der mittelalterlichen Literaturgeschichte, in deren Zentrum mit Perchta von Weißenstein die Ehefrau des steirischen Politikers und Minnedichters Ulrich von Liechtenstein steht. Dass es sich dabei tatsächlich um „wahre Geschichten“ handelt, wie das Inhaltsverzeichnis sie betitelt, oder zumindest um über weite Strecken gültige historische Zusammenhänge, wird unter anderem deutlich, wenn die Leserin oder der Leser sich auf die Suche nach der wahren Identität der hinter abgewandelten Namen Verborgenen begibt. So begegnet im Pfarrer Winkelstätter des Romans tatsächlich der verdienstvolle Geschichtsforscher Pfarrer Augustin Winkelhofer (1771–1832), Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, und mit „Rossacher“ ist – ebenfulls nur geringfügig verschlüsselt – die bedeutende frühneuzeitliche Bürgerdynastie Ronacher in St. Michael im Lungau gemeint. Von dieser Marktgemeinde führt die Spur direkt zur Autorin des Romans, die als Germanistin, Kunsthistorikerin und Publizistin bereits mehrere Sachbücher zu Salzburger Themen verfasst hat – unter anderem auch 2016 unter dem Titel „Mitten in Österreich“ eine zweibändige Chronik von St. Michael im Lungau. Zu dessen Gleichsetzung mit Triegen ist es dann nur mehr ein kleiner Schritt, ebenso wohl zur einen oder anderen autobiographischen Verbindung.
Die lebendige und bildhafte literarische Sprache der Autorin mit den zahlreichen in die fesselnde Erzählung eingebauten authentischen und mundartlichen Begriffen macht die Lektüre des Romans zu einem Genuss. Berge, Wälder, Felder, Auen, an mehreren Stellen angeführte, mit ihren populären Namen bezeichnete Pflanzen, Blumen, Pilze und Insekten und vor allem natürlich die in dieser Gegend entspringende Mur bilden, umrahmen und bewachen den Lebensraum der Triegener, denen sich Leserin und Leser im Geiste beigesellen.
Immer wieder klingen dabei methodische Probleme der quellennahen historischen Forschung an, insbesondere bei der regionalen und lokalen Zeitgeschichte, in der Schriftliches sich mit Erinnerungen und mündlich überlieferten Traditionen verbindet. Dieses Dilemma wird beklemmend deutlich vorgeführt am Beispiel des geistig beeinträchtigten, Maultrommel spielenden Buben „Vinzerl“ Majko, für dessen plötzliches Verschwinden unter dem NS-Regime Fama und Akten, je nach Standpunkt, verschiedene Ursachen insinuieren. Und so zieht die Chronistin als Ich-Erzählerin schon im ersten Kapitel „Vom Turm des Erstaunens“ eine differenzierte Bilanz über die auf Basis ihrer ausgiebigen Recherchen hergestellten und im Weichbild von Triegen öffentlich angebrachten Tafeln: Vierundzwanzig Stück sind es geworden, dreißig solcher Bilder waren geplant. Jedes for sich ein Schmuckstück, nett anzuschauen, leicht verständlich herausgeputzt, dabei wäre vieles noch zu überprüfen, neu aufzurollen gewesen, weil es nur halb, halbwegs stimmen konnte, wie ich weiß. Ich musste es mir auch oft genug sagen lassen: So ist es nicht gewesen. Ich habe es anders gehört.
(Gernot Peter Obersteiner, Blätter für Heimatkunde, hrsg. vom Historischen Verein für Steiermark, Jahrgang 98 (2024), [Heft 1/2 ?], S. 56f.)