Die Brunnen Wiens
Eine feuilletonistisch-fotografische Expedition
Gregor Auenhammer, Gerhard Trumler
ISBN: 978-3-99126-153-7
30×24 cm, 416 Seiten, zahlr. farb. Abb., Hardcover m. Schutzumschl. & Lesebändchen
€ 48,00 €
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Kurzbeschreibung
Hommage an die Stadt, Kaleidoskop der Assoziationen, Reise zur österreichischen Seele.
Hymnus an die Schöpfung, Hymnus an das Leben!
Flaniert man heute offenen Geistes, wachen Auges durch Wien, ist man immer wieder fasziniert von der Pracht und Herrlichkeit der zahlreichen Skulpturen, der fantastischen, sinnlichen Statuen auf Fassaden, Plätzen, in Parkanlagen, bei Brunnen. Oft fragt man nach der Bedeutung der in kultivierte Fauna und Flora eingebetteten Figuren, der Najaden, Elfen, Nixen, Tritonen, der ätherischen, aber keineswegs anämischen Göttinnen und Götter. Sind es Heilige, Engel – oder satanische Wesen? Von der Antike inspirierte Gottheiten? Entrückte, sphärische Fabelwesen aus fernen Welten? Personifikationen der „nackten Wahrheit“? Hermaphroditen? Zu Kaskaden geschlichtete Gedankenwelten? Fleisch, Stein und Marmor gewordene Allegorien? Märchen oder Sagengestalten? In Stahl, Bronze oder Gold gegossene Kunstobjekte oder simple Kitschpatente? Kaiser, Könige, Königinnen, Prinzessinnen oder Mätressen? Bürger oder deren Meister? Bekannte Persönlichkeiten? Musen? Honoratioren? Ehrwürdige, oder nach heutigen Maßstäben verachtenswerte Gestalten aus der Geschichte?
Gregor Auenhammer und Gerhard Trumler begaben sich auf die Fährte der Mythen und Legenden, der Geschichte und G‘schichteln – und inspizierten die Gegenwart der „Brunnen Wiens“, auf der Suche nach dem Verborgenen, dem Geheimnisvollen, des Abseitigen, Absurden, Abstrusen und Unbekannten und langsam in Vergessenheit Geratenden.
Naturgemäß diente der Bau befestigter Brunnen zunächst rein utilitaristisch der Versorgung der Menschen mit dem Elixier, dem elementarsten der vier Elemente, dem Chamäleon unter den Molekülen: Wasser. Im Lauf der Jahrhunderte entstanden preziöse Brunnenanlagen mit deliziösen Statuen, Skulpturen, über die Funktionalität hinaus repräsentative Bauwerke. Die ältesten Brunnen der Stadt gehen auf das antike Römerlager Vindobona zurück, der älteste, original erhaltene Brunnen stammt aus dem Jahr 1552. Barock und Klassizismus der Monarchie führten zur Hochblüte hedonistischer Brunnenkunst, gefolgt vom demokratischen Ansatz des Roten Wien, Kunst allen Menschen ans Herz zu legen. Und was bringt die Zukunft in Zeiten des Puritanismus, der bigotten Prüderie? Lassen Sie sich überraschen …
[Idee, Konzeption & Komposition: Gregor Auenhammer & Gerhard Trumler | Text: Gregor Auenhammer | Photographie: Gerhard Trumler & Gregor Auenhammer | Herausgeber: Gregor Auenhammer]
Bereits erschienen:
GREGOR AUENHAMMER & GERHARD TRUMLER
DIE FLÜSSE WIENS
Eine feuilletonistisch-fotografische Expedition
Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2020
ISBN 978-3-99028-469-8
Rezensionen
ORF Radio Ö1-»Leporello«: Die Brunnen der StadtBeim Donnerbrunnen in der Wiener Innenstadt erzählt der Autor Gregor Auenhammer über sein neues Buch „Die Brunnen Wiens“. Der gemeinsam mit dem Fotografen Gerhard Trumler gestaltete feuilletonistische Streifzug beginnt im Jahr 100 bei den Überresten des Römerlagers auf dem Michaelerplatz. In historischer Reihenfolge erzählen die Autoren die Geschichte der Wasserversorgung von ihren Anfängen bis in die Gegenwart. Über 300 verschiedene Brunnen stellen Auenhammer und Trumler vor und erkunden auch deren Kultur- und Sozialgeschichte.
(Ankündigung zur Ö1-Sendung »Leporello« vom 9. Jänner 2023, Gestaltung des Beitrags: Kaspar Arens)
https://oe1.orf.at/programm/20230109/711526/Von-Wetter-und-Wasser
Wolfgang Freitag: Sobieskiplatz: Wäscherinnen, Wasser und die Etymologie
Von Butten und Brunnen: Wie man am Alsergrund an die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung erinnert.
Wien und die Donau: Was wäre das eine ohne die andere! Doch wer aus dem vielen Wasser, das nicht nur redensartlich unseren Strom hinunterfließt, den Rückschluss zieht, bei der Stadt nebenan handle es sich um einen dem nassen Element besonders zugeneigten Ort, wird rasch enttäuscht: Das hiesige Stadtbild kommt eher trocken daher.
Was keineswegs an einem Mangel an Gewässern liegt, vielmehr an den Modalitäten urbaner Entwicklung: Die Stadterweiterungen des 19. Jahrhunderts haben die meisten oberirdischen Spuren der vielen Donauzuflüsse getilgt, und selbst der größte von ihnen, der Wienfluss, sieht sich schon die längste Zeit – und aus guten Gründen – in ein dermaßen voluminöses Gerinne verbannt, dass sich eine wie immer geartete Nähe von vornherein nicht einstellen kann.
Umso verdienstvoller, wenn jemand den vielfach verborgenen oder auch zu wenig beachteten feuchten Seiten unserer Kapitale zu vermehrter Präsenz verhilft. Nach den Flüssen Wiens hat Gregor Auenhammer, abermals unterstützt von Fotografie-Altmeister Gerhard Trumler, aktuell „Die Brunnen Wiens" in den Mittelpunkt eines mächtigen Prachtbandes gerückt. Ergebnis: eine Wiener Brunnenchronologie, die von ersten Anfängen in Römertagen bis in die allernächste Zukunft reicht.
Einer von unzähligen Zwischenhalten: der Alsergrunder Sobieskiplatz, woselbst ein 1985 nach historischem Vorbild gestaltetes Duplikat an einen Auslaufbrunnen des Hochquellwasser-Vorläufers Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung erinnert. Dem hätten einst „die Wäscherinnen des Himmelpfortgrundes in großen Butten ihr Wasser" entnommen, so eine Inschrift an der Rückseite des Objekts, die nebstbei auf die Sprachverwandtschaft von Bassin und Bassena verweist. Lokalgeschichte mit etymologischem Mehrwert.
(Wolfgang Freitag in der Presse vom 25. Jänner 2023, S. 12)
https://www.diepresse.com/6242379/sobieskiplatz-waescherinnen-wasser-und-die-etymologie
Barbara Beer: „Plötzlich und unerwartet“
Über den möglichen Haut Goût von Anführungszeichen
Ob es alle sind, haben wir im Redaktionskomitee der Wiener Ansichten ehrlicherweise nicht nachgeprüft. Aber es sind ziemlich viele Wiener Brunnen, die Gregor Auenhammer und Gerhard Trumler auf ihrer feuilletonistisch-fotografischen Expedition „Die Brunnen Wiens“, (Bibliothek der Provinz) besucht haben.
Mythen, Legenden, schräge G’schichten kommen vor. Aha-Momente. Was man alles nicht wusste. Geheimtipps. Ein Liebling: Der Brunnen im Heiligenkreuzerhof von Bernard Clairvaux. Nun gehört der Hof zwischen Schönlaterngasse und Grashofgasse ohnehin zu den bezauberndsten Ecken dieser Stadt. Ein Ort, den man besuchen sollte, wenn man kurz einmal daran zweifelt, wie wunderbar Wien ist. Das Ensemble stammt aus dem 17. Jahrhundert und beherbergte einst die erste Graveurschule Wiens. Der Dichter Franz Castelli hat hier gewohnt, er hatte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ein Faible für Dialektdichtung, ebenso wie ein gewisser Helmut Qualtinger, der hundert Jahre später hier lebte.
Zurück zum Brunnen: Er stammt aus dem späten 18. Jahrhundert. Ist zart und zurückhaltend, das Brunnenbecken wie gerahmt von einem antiken Tempel. Dass anstatt der historischen Wasserdüse nun ein Wasserhahn aus Messing dort seinen Dienst versieht, noch dazu mit angeschraubtem Gartenschlauch, das hat, nun ja, einen eigenen, herben Charme.
Nicht alle Brunnen Wiens sind von derart unumstrittener Schönheit. So kommt man in Wien kaum an den Wasserskulpturen des Bildhauers Hans Muhr vorbei, omnipräsent auch dank seines Förderers Helmut Zilk.
Hans Muhr ist vor Kurzem gestorben. Mit 88, und zwar, so wurde seine Frau zitiert, „plötzlich und unerwartet“. Vielleicht bin ich übersensibel. Aber ich lese in diesen Anführungszeichen ein gewisses Amüsement. Darüber, dass man es „plötzlich und unerwartet“ findet, wenn jemand mit 88 stirbt.
Aber, lieber Anführungszeichenschreiber, ab wann soll man es denn erwarten, das Sterben? Auch wenn es sich ankündigt: Das Ende ist dann doch meist recht plötzlich.
(Barbara Beer im Kurier, online veröffentlicht am 27. Jänner 2023)
https://kurier.at/kolumnen/ploetzlich-und-unerwartet/402307487
Hannes Neumayer: Zelebrierte Brunnengeschichte
Ein echtes Monumentalwerk zu einem Ausschnitt der Wiener Geschichte haben Gregor Auenhammer und Gerhard Trumler vorgelegt. ‚Die Brunnen Wiens‘ ist eine penible Bestandsaufnahme mit spannenden Geschichten und Anekdoten zu den Wasserspendern der Stadt. Eine „feuilletonistisch-fotografische Expedition“, wie der Untertitel verheißt – eine wahre Hommage.
Dienten Brunnen ursprünglich natürlich der Versorgung der Menschen mit Wasser, gab es etwa ab 1500 auch prachtvolle und reich verzierte Brunnen in Wien. Der älteste noch in Originalform existierende stammt aus dem Jahr 1552 und befindet sich im Schweizertrakt der Hofburg. „Die ältesten Brunnenanlagen gehen auf die Zeit des Römerlagers Vindobona zurück“, so die Autoren. Mancher Brunnen wurde übersiedelt, also abgetragen und neu aufgebaut. Auenhammer und Trumler begaben sich auf umfangreiche Spurensuche: Etwa nach der Bedeutung der Figuren und Skulpturen. Sind es Engel, Heilige, Elfen, Najaden oder Tritonen? „Ehrwürdige, des Gedenkens würdige Personen? Oder eigentlich nach heutigen Maßstäben verachtenswerte Gestalten aus der Geschichte“, lautete eine der Fragestellungen.
Die Spurensuche führt chronologisch vom Jahr 100 bis in die Jetztzeit. Zu prachtvollen Anlagen wie dem Austria-Brunnen auf der Freyung, zum Donnerbrunnen am Neuen Markt und zum Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz. Aber auch in verborgene Hinterhöfe oder zu nicht mehr existierenden Brunnen. Einer der letzteren Kategorie führt ins Jahr 1212 und zu einer alten Sage. Die Kurzfassung: Ein Bäckerlehrling verliebte sich in die Tochter des Meisters. Der verweigerte der Verbindung aber den Segen und sprach, „erst, wenn ein Hahn, der sich so töricht wie Du benimmt, ein Ei gelegt hat“. Plötzlich fiel ein Hahn aus dem Himmel in den Brunnen und verpestete diesen. Nur Lehrling Hanns traute sich hinunter, hielt dem Basilisken einen Spiegel vor (um nicht zu erblinden), besiegte das Wesen und bekam seine Appollonia. Den Basilisken kann man noch heute an der Fassade der Schönlaterngasse 7 bewundern.
Diese und unzählige spannende, interessante, witzige und kurzweilig erzählte Geschichten finden Leser in ‚Die Brunnen Wiens‘ auf über 400 Seiten! Das Buch macht Lust auf eigene Erkundungstouren. Quasi als Bonus kommt – etwas zu spärlich – natürlich auch Floridsdorf vor. So etwa im Jahr 2020: Da wurde der ursprünglich 1926 errichtete Brunnen am Schlingermarkt reproduziert. Wenig beliebt ist der Brunnen am Franz-Jonas-Platz beim Bahnhofseingang: Er wurde von Hans Muhr zu Floridsdorfs ‚100-Jahre-bei-Wien‘-Jubiläum geschaffen und hat auch bald 20 Jahre am Buckel.
Übrigens sind Brunnen durchaus auch ein Geschäft für die Stadt: Jährlich fischt die MA31 etwa eine Million Euro aus Wiener Brunnenanlagen in der Innenstadt und in die Kassen.
(Hannes Neumayer, Rezension in der DFZ. Die Floridsdorfer Zeitung, Ausgabe 2/2023, S. 10, Artikel online veröffentlicht am 21. Februar 2023)
https://www.dfz21.at/dfz/zelebrierte-brunnengeschichte/
Mia Eidlhuber: Ausufernde Betrachtung
Dass Rom unangefochten als Hauptstadt der Brunnen gelten darf, darauf weist das bewährte Expeditionsteam, bestehend aus Autor Gregor Auenhammer und Fotograf Gerhard Trumler, gleich in seinem Prolog hin. Seine 415 Seiten starke feuilletonistisch-fotografische Recherchereise für Die Brunnen Wiens (das Folgewerk zu Die Flüsse Wiens) scheint aber etwas ganz anderes zu behaupten. Eine unendliche Vielfalt enthält der Prachtband, und eine schier unglaubliche Anzahl von rund 350 Wiener Brunnenobjekten haben Auenhammer und Trumler da, übrigens für einen Zeitraum zwischen 100 n. Chr. bis in die Zukunft, etwa zu Bauvorhaben, die erst 2027 realisiert werden, zusammengetragen – neben imperialen Bekanntheiten mit Elfen und Nixen, Göttern und Göttinnen, Kaisern und Mätressen auch abstrus Abseitiges und Unbekanntes. Jeder Brunnen hat seine ganz eigene Geschichte und auf gut Wienerisch auch seine Gschichtln, die sich um ihn ranken. Nur ein Beispiel […]: Wer etwa als Café-Korb-Besucherin gern draußen sitzt, schaut immer schon auf den 1310 erstmals urkundlich erwähnten Schönen Brunnen, der aber 1753 einer Verkehrsberuhigung (!) zum Opfer fiel. 1928 wurde ein eher „schiacher“ Brunnen zum 30-Jahr-Jubiläum einer Versicherung von Bürgermeister Karl Seitz eingeweiht. Gerüchten zufolge wünscht sich mancher Korb-Fan aber längst, dass eine Büste der Café-Korb-Ikone Susanne Widl den Grünspan-verzierten Tuchmacher ersetzen möge. Wer sich also mit den versierten Wien-Flaneuren auf Brunnen-, Wasser- und Geschichtensuche begeben will – sie sind bereit und haben ausufernde Vorarbeiten geleistet.
(Mia Eidlhuber, Rezension im STANDARD-Album vom 25. Februar 2023, S. A 5)
Hans Werner Scheidl: Die Brunnen der Wienerstadt sind uralt
Unsichtbares und oft wenig Beachtetes steht hier im Zentrum.
Der Zwölf-Apostelkeller in der Sonnenfelsgasse beherbergt in 18 Metern Tiefe die wahrscheinlich älteste Brunnstube Wiens. Sie ist gotisch. Die Geschichte des „Ellioschen Hauses“ geht zurück bis ins Jahr 1100, und der Historiker Gregor Auenhammer hat mit dem Fotokünstler Gerhard Trumler auch diese Besonderheit in Wort und Bild festgehalten. „Die Brunnen Wiens“ geben Stoff für mehr als 400 Seiten her, eine unglaubliche Fülle an Material, freundlich und ohne Belehrung dargeboten.
Natürlich beginnt alles mit den Römern, deren Spuren jeder Passant auf dem Michaelerplatz in dem berühmten Spalt nachverfolgen kann. Zwischen Herrengasse, Kohlmarkt und Hofburg wurden Reste von vier Häusern gefunden, wahrscheinlich in Fachwerk aufgeführt und bis ins 5. Jahrhundert bewohnt. Fußboden- und Wandheizung inbegriffen, Toilettenspülung sowieso. Es handelte sich dabei um die kleine Stadt außerhalb des Militärlagers, in dem die Familien wohnten, die Schenken boomten, die Handwerker für Infrastruktur sorgten.
Die aufregende Sage vom Basilisken führt uns zu einem der ältesten Wiener Brunnen in die Schönlaterngasse. Das Untier könnte ein Fossil aus der Eiszeit gewesen sein, wird vermutet, das vielleicht beim Brunnenbau zum Vorschein kam. Der Brunnen ist längst verschüttet.
Weiter in die Tuchlauben. Dort befand sich ein Brunnen, der schon 1310 urkundlich erwähnt wurde. Hier waren die Tuchmacher, Schneider und Gerber tätig. Die Wasserstelle soll hübsch gewesen sein, mit schmiedeisernem Gitter versehen. Warum man ihn 1753 abgetragen hat, lässt sich nicht eruieren. Wahrscheinlich musste er dem Verkehr weichen. Weithin sichtbar hingegen sind die beiden Brunnen am Graben. Schon 1455 findet sich in den städtischen Rechnungsbüchern ein Budget für deren Errichtung. Das Wasser kam durch Röhren aus der Hofburg. Und sie dienten in der Hauptsache als Löschwasser bei den nur allzu häufigen Bränden.
Einer der hässlichsten Brunnen steht just in jenem kleinen Gässchen, das vom Ballhausplatz zum Minoritenplatz führt und an Bruno Kreisky erinnert. „Der Alte“ schaute hier durch die Fenster seines dunkel getäfelten Arbeitszimmers (das ihm auch nicht wirklich gefiel) und wäre wahrscheinlich irritiert gewesen, denn er hielt etwas auf Ästhetik. Wertvoll scheint der Brunnen wohl zu sein, besteht er doch aus einem einzigen Brocken Lapislazuli, aber er verstellt die Sicht auf den anmutigen Minoritenplatz. Geschmäcker sind eben sehr verschieden. Hans Muhr hat in der Stadt mehrere Wassermonumente geschaffen, so auch am Floridsdorfer Jonas-Platz.
Wiens kleinster Brunnen
Und wo findet man den kleinsten Brunnen Wiens – auch wenn er kein Wasser spendet? Am Schwarzenbergplatz. Dort nämlich versteckt sich, eingekeilt zwischen sechs Fahrspuren, das bronzene Standbild des Meisters Georg Raphael Donner. Und in Händen hält er sein Meisterwerk, den „Providentia-Brunnen“, den er 1737 für den Neuen Markt schuf und der heuer wieder restauriert errichtet wurde. 55 historische Brunnen werden von der Denkmalschutzabteilung der Stadt Wien betreut, dazu kommen unschätzbar viele private Brunnenanlagen, 720 öffentliche Trinkbrunnen, Hydranten, Nebelsprühanlagen. Es ist ein weites Feld, das uns die Autoren eröffnen. Und ein höchst interessantes.
(Hans Werner Scheidl, Rezension im PRESSE-Feuilleton vom 25. Februar 2023)
https://www.diepresse.com/6255975/die-brunnen-der-wienerstadt-sind-uralt
Gregor Auenhammer: Elixier des Lebens
Am 22. März begeht die Uno zum 30. Mal den Tag des Wassers. Heuer feiert die Stadt Wien 150 Jahre Hochquellwasserleitung mit einem Jubiläumsbrunnen. Ein Anlass, sich den Brunnen Wiens als Hymnus an die Schöpfung anzunähern.
Naturgemäß diente der Bau befestigter Brunnen zunächst rein utilitaristisch der Versorgung der Menschen mit dem Elixier des Lebens, dem elementarsten der Elemente, dem Chamäleon unter den Molekülen: Wasser. Im Lauf der Jahrhunderte entstanden preziöse Brunnenanlagen mit deliziösen Statuen, Skulpturen, über die Funktionalität hinaus repräsentative Bauwerke. Die ältesten Brunnen der Stadt gehen auf das antike Römerlager Vindobona zurück, der älteste, original erhaltene Brunnen stammt aus dem Jahr 1552, befindet sich heute im Schweizertrakt der Hofburg. Der erste, anno 1310 urkundlich erwähnte „Schöne Brunnen“ am Tuchlauben musste 1753 einer Verkehrsberuhigung weichen. Ja, so etwas gab’s damals schon. Barock und Klassizismus führten zur Hochblüte hedonistischer Brunnenkunst, nebst sakraler und säkularer Kunst, gefolgt vom hehren Gedanken, das Alltagsleben zu verbessern, Genuss und Kultur für das Volk, nicht nur die Herrschaft zu schaffen. So kam es zum demokratischen Ansatz des Roten Wien, Kunst allen Menschen ans Herz und vor Augen zu legen. Brunnen sind sichtbare Zeichen achtsamen sozialen Zusammenlebens; im Dialog Bildhauerkunst, Architektur, Gesellschaft, Ökonomie und Ökologie.
Flaniert man heute offenen Geistes, wachen Auges durch Wien, ist man immer wieder fasziniert von der Pracht und Herrlichkeit der zahlreichen Skulpturen, der fantastisch-sinnlichen Statuen. Oft fragt man sich nach der Bedeutung der in kultivierte Fauna und Flora eingebetteten Figuren, der Najaden, Elfen, Nixen, Tritonen, Hippokampen, Hermaphroditen, der ätherischen, aber keineswegs anämischen Göttinnen und Götter. Sind es Heilige, Engel oder satanische Wesen? Von der Antike inspirierte, sphärisch-entrückte Fabelwesen? Personifikationen der „nackten Wahrheit“? Zu Kaskaden geschlichtete Gedankenwelten? Stein und Marmor gewordene Allegorien? Kunstobjekte oder simple Kitschpatente? Kaiser, Könige, Königinnen oder Mätressen? Bürger oder deren Meister? Bekannte Persönlichkeiten? Musen? Honoratioren? Ehrwürdige oder nach heutigen Maßstäben verachtenswerte Gestalten aus der Geschichte?
„’s Wossa kummt aus da Wossaleitung, und da Strom aus da Steckdos’n“, lautet die landläufige Meinung von His Masters und Hausmasters Voice … „Jo eh“, könnte man sagen. Aber erstens war das nicht immer so, in Wien erst, aber immerhin seit 150 Jahren, und zweitens sorgen sich tagtäglich ganze Heerscharen darum, dass dies so ist. Exakt 55 denkmalgeschützte Brunnen verwaltet die MA 31, die Abteilung Wiener Wasser, unermüdlich, mit Empathie und Leidenschaft. Dutzende Ensembles werden zudem von Burghauptmannschaft und Bundesdenkmalamt betreut. Dass das Wiener Wasser in Qualität und Geschmack herausragend ist, sei an dieser Stelle bedankt.
Trinkwasser & Brandschutz
Jahrhundertelang war die Residenzhauptstadt heimgesucht von Hochwasser, Seuchen wie Pest, Cholera und Ruhr. Etliche Versuche, Wasserleitungen zu bauen, scheiterten. Bis Eduard Suess die Vision hatte, Hochquellwasser von Rax und Schneeberg nach Wien zu leiten. Das gigantische, innerhalb von zwei Jahren realisierte Vorhaben war von Erfolg gesegnet, zudem wurden Flüsse reguliert und eingefriedet, die Stadt mutierte zur prosperierenden Metropole mit über zwei Millionen Einwohnern. Waren Brunnen früher Treffpunkt sozialen Zusammenlebens, so verlagerte sich der Tratsch zum Hausbrunnen vulgo Bassena.
Heute gibt es zahllose Brunnen von zeitloser Schönheit – und solche von enden wollender Faszination. Brunnen, gesellschaftlich relevant, waren Synonym der Machtdemonstration und Insubordination, Wertschätzung und Fürsorge, Hommage an die Schöpfung. Etliche Ensembles zitieren Berninis genialen Brunnen auf der Piazza Navona, welcher die Weltmacht Roms symbolisiert. Wiener Analogien stellen der Austria-, der Providentia- und der Pallas-Athene-Brunnen mit je vier Allegorien der großen Flüsse des Landes dar. Evergreens wie Franz-Joseph, seiner Gemahlin Sisi begegnet man, x-mal Karl Lueger, Heiligen des Abendlands, Göttinnen der Antike, sowie glühenden Antifaschisten. Nicht immer fällt alles geglückt aus. Ob Bruno Kreisky mit dem bei Tag an seinen Lockenkopf, bei Nacht an ein Gehirn erinnernden Monolith zufrieden wäre? Helmut Zilk mit der Spirale im Einkaufszentrum an der Peripherie? Das Brunnenmonster, welches zu Ehren von Anna Freud 1963 gefertigt wurde, muss man als „Freud’sches Verbrechen“ titulieren. Pardon.
Hedonismus, Pracht & Herrlichkeit
Legendär sind Orte wie das Kaiserbründl, die Brünnlbadgasse, der Brunnenmarkt, Otto Wagners gläserne Badewanne. Manch Quelle ist heute versiegt, manch Becken trocken, verwaist. In Wiens Wasserwelt begegnet man Baselisken, Froschkönigen, Kröten, Pinguinen, „Walfischen“, Delfinen, Greifen, Schokobrunnen, Champagnerkaskaden, dem „Schurl mit da Blechhaubn“, Kasperl und Pezi, der Wasser-Resi aus dem Vormärz, asiatischen Zen-Gärten, Renaissancekaskaden sowie Amphoren, die Milch spenden, Champagnerschalen, die den Brüsten von Marie-Antoinette nachempfunden sein sollen, und einer feministischen „Euter-Erhebung“ am Himmel über Wien.
[Dieser Text ist eine Collage aus Passagen der feuilletonistisch-fotografischen Expedition zu weit über 350 „Brunnen Wiens“.]
WISSEN
Über 10.000 Hausbrunnen gab es im Lauf der Jahrhunderte in Wien. Ihre Bedeutung verloren sie durch Inbetriebnahme der I. Wiener Hochquellwasserleitung, erbaut 1873 von Eduard Suess. Der Reigen reicht von römischen Thermen, imperialer Pracht in die Zukunft, wider den Klimawandel.
• 55 denkmalgeschützte Brunnen betreut die MA 31 – „Wiener Wasser“.
• 62 Objekte betreuen Bundesdenkmalamt und Burghauptmannschaft.
• 1300 Trinkbrunnen & Hydranten, 75 Sommerspritzer erfrischen im öffentlichen Raum & Gemeindebauten.
Der kleinste Brunnen: Georg-Raphael-Donner-Denkmal mit Miniatur des Providentia-Brunnens.
Der Dämonischste: Satanas, im Erzbischöflichen Palais neben der Allegorie der Mäßigung.
Der Demokratische: Monolith von Hans Muhr am Bruno-Kreisky-Platz: Lockenkopf oder Hirn?
(Gregor Auenhammer, erschienen im Standard am 21. März 2023, S. 11)
https://www.derstandard.at/story/2000144753125/die-geschichte-der-brunnen-wiens-und-ihre-bedeutung
Christof Habres: Wasser lassen
Ein wahrlich schwergewichtiges Kompendium beschreibt die Brunnen Wiens.
Wenn es ums Wasser geht, sind Gregor Auenhammer und Gerhard Trumler bereits ein sehr gut eingespieltes Team. Im Jahr 2020 haben der Autor und Journalist Auenhammer und der Fotograf Trumler bereits den bemerkenswerten Bild- und Schriftband „Die Flüsse Wiens“ publiziert. Schon dafür hat das Duo enormen Rechercheaufwand betrieben. Denn es gibt in Wien 85 fließende und 115 stehende Gewässer. Und das sind lediglich jene, die einen Namen tragen und die Donau ist da nicht einmal dabei.
Für ihren neuen Band haben sie mehr als 170 Brunnen ausfindig gemacht, alle beschrieben, besprochen oder assoziativ „G’schichterln“ hinzugefügt, und die meisten davon fotografiert. Eine Mammutaufgabe!
Damit beginnt aber auch das Problem des etliche Kilogramm schweren und großformatigen Buches. Das Gewicht und die Größe verhindern einerseits, dass Leserinnen und Leser den übergewichtigen Papierziegel mit auf entdeckerische Stadtwanderungen nehmen. Andererseits ist es verschroben liebenswert und aus der Zeit gefallen, sich in einer schnellen, übermediatisierten (Social-Media-)Welt an ein solches Lesebuch zu wagen. Trotzdem muss festgehalten werden, dass ein Gros der Brunnen weder über eine nuancierte Architektur noch einen spannenden geschichtlichen Hintergrund verfügen, die es rechtfertigen, allumfassend dokumentiert zu werden. Das Durchlesen und -sehen wird bald ermüdend.
Nichtsdestotrotz sind es eigenwillige, überraschende Entdeckungen, wie das „Kaiserbründel“, der Witwen-Waldbrunnen in der Johannesgasse, der Brunnen im Hotel Brillantengrund oder der Wotruba-Brunnen in Döbling, die die feuilletonistischen Brunnen-Entdeckungsreisen im Trockentraining kurzweilig machen.
(Christof Habres, Rezension in der Wiener Zeitung, online veröffentlicht am 10. April 2023)
https://www.wienerzeitung.at/h/wasser-lassen
David Hofer: Der Schönheit der Brunnen Wiens auf den Grund gehen
Autor Gregor Auenhammer hat einen Streifzug durch die Brunnenlandschaft Wiens unternommen. Dabei ist er auf so manches Schmankerl gestoßen.
Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Ein altes Sprichwort, in dem durchaus ein Kern Wahrheit enthalten ist. Doch damit die Gefahr gebannt wird, in Gruben und Löchern zu versinken, haben die Menschen in weiser Voraussicht damit begonnen, rundherum Mauern und Absperrungen zu errichten. Daraus resultierte im Laufe der Zeit auch so manches künstlerische Meisterwerk, etwa in Form von Brunnen.
Gerade eine kulturell geprägte Stadt wie Wien kann hier aus dem Vollen schöpfen. So hat sich auch Autor Gregor Auenhammer in den Bann ziehen lassen und sich auf die Suche gemacht. Heraus kam ein Werk, in dem die eindrucksvollsten Brunnen der Stadt erfasst wurden „Die ältesten Brunnenanlagen Wiens gehen auf die Zeit des Römerlagers Vindobona zurück, die Existenz zahlreicher Brunnen ist bis ins Mittelalter nachvollziehbar“, erklärt Auenhammer.
Der Obelisk von Wien
Darunter sind natürlich einige bekannte Klassiker. Besonders prominent im Buch von Auenhammer vertreten ist so etwa die Anlage von Schloss Schönbrunn. Dort gibt es gleich eine ganze Reihe von künstlerisch hochwertigen Meisterwerken. Einige davon, wie etwa der Neptunbrunnen, sind weit über die Grenzen Wiens, wohl sogar weltweit bekannt.
Er wurde im Zuge der Umgestaltung der Anlage unter Kaiserin Maria Theresia zwischen 1778 und 1780 erbaut. Der Brunnen ist gut hundert Meter lang. Doch auch etwas abgelegenere Werke wie jenes, wo ein Hauch des alten Ägypten durch die Parkanlage weht, finden Beachtung. Hinter einem Wasserbecken etwa ist ein künstlicher Felsen mit zwei Grotten. Darüber befindet sich ein aus 27 Steinblöcken gebildeter Obelisk, der auf einem Sockel von vier vergoldeten Schildkröten getragen wird.
Insgesamt 55 historische, denkmalgeschützte, Kunst- und Zierbrunnen werden heute von der Stadt Wien, konkret von der MA 31, der zuständigen Magistratsabteilung des Rathauses, verwaltet. Des Weiteren gibt es über 720 öffentliche Trinkbrunnen und Hydranten sowie hunderte mobile Trinkbrunnen, exakt 100 temporäre Sommerspritzer und zahlreiche Nebelsprühanlagen.
Schlauer Fuchs
Im Buch möchte Auenhammer seine Leser „an den Grund von Brunnen entführen, die nicht nur dem Stillen von Durst dienen, sondern auch dem Hunger nach Kunst und Kultur“. Etwa am Schwarzenbergplatz. Der Brunnen dort ist der am höchsten strahlende Wiens. „Anlässlich der ‚Taufe‘ Wiens mit Wiener Hochquellwasser im Jahr 1873 wurde der Hochstrahlbrunnen zum Gedenken errichtet“, weiß Auenhammer. Gestaltet wurde der Brunnen – einer der wenigen „Springbrunnen Wiens“ – von Anton Gabrielli. Die heutige Optik ergab sich mit der Errichtung des „Russendenkmals“ nach dem Zweiten Weltkrieg.
Doch auch skurrilere Exemplare haben Platz in Auenhammers Buch gefunden. Etwa in Meidling, wie beim Schmökern bald ersichtlich wird. Im 12. Bezirk geht es tierisch schlau zu – zumindest, wenn man sich die Verzierung dieses Brunnens ansieht. Denn es ist Meister Reineke Fuchs, der vom Wasserspender im namentlich passenden Fuchsfeldhof grüßt.
Der „Fuchsbrunnen“ erinnert an eine Zeit, in der Pelz und Kopf der Tiere als Trophäe galten. Dementsprechend auch die Platzierung des Fuchskopfes auf dem Meisterwerk und der darunter stehende lateinische Kommentar: „Fecit (gemacht) 1925“. Auenhammer wundert sich: „Ob die einstige Arbeiterschaft das lesen konnte?“.
Aber egal, die Zeiten sind vorbei – so wie auch jene, in denen das Tragen von Fuchspelz in edlen Kreisen angesehen war. „Politisch korrekt werden heutzutage Pelzträgerinnen und Pelzträger weder goutiert noch pardoniert“, betont der Autor des Buches. Der Brunnen hingegen bleibt als künstlerisches Werk erhalten.
Was dem Brunnen zugrunde liegt
Auch die Geschichten hinter den einzelnen Werken ziehen immer wieder in den Bann. Himmlisch sollte es so etwa auf der Wiedner Hauptstraße zugehen, doch der Autor ist vom Wesen des „Engelbrunnen“ nicht maßlos überzeugt: „Nein, wie Engel schauen sie nicht aus, die Figuren, die da herumlungern. Eher wie Rüpel“, so Auenhammer.
Zwei Männer kauern am Gesims links und rechts des Brunnens. Gerüstet sind sie für die kühle Jahreszeit, denn sie sind in Mäntel und Jacken eingepackt. „Eigentlich wirkt es so, als ob sie jeden Moment abrutschen und ins Wasser plumpsen würden“, so der Autor. Als Ausgleich dient die Figur einer jungen Dame, die an der Spitze des Brunnens steht und den Spuk aufklärt. Bei ihr handelt es sich um die Sagenfigur der „klugen Jungfer Elsbeth“. Ihr gelang es, zwei Räuber – eben jene am Gesims – zu schnappen. Benannt wurde der „Engelbrunnen“ nach Kriegsminister Viktor Edler von Engel.
Nur einige der zahlreichen Beispiele, wie Auenhammer die Brunnen Wiens und ihre verborgene Geschichte ans Licht holt. Am Ende bleibt die Gewissheit: Tiefe Wasser sind still – und in Wien meist von kreativen Brunnen umgeben.
(David Hofer, Rezension im Wiener Bezirksblatt, online veröffentlicht am 22. August 2023)
https://www.meinbezirk.at/wien/c-lokales/der-schoenheit-der-brunnen-wiens-auf-den-grund-gehen_a6085833