Das weite Land der Rose
Maria Bayer, eine außergewöhnliche Frau der Ringstraßenzeit · Dokumentation Villa Elfenhain, Teil II
Helmut Scharsching
ISBN: 978-3-900000-44-8
22,5 x 24,5 cm, 108 Seiten, zahlr. Abb., graph. Darst., Kt., Hardcover
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Kurzbeschreibung
Warum verlässt eine Frau der Gründerzeit immer wieder die gesellschaftlich vorgegebenen und sicheren Lebenswege? Folgt sie dabei ausschließlich dem Ruf des Herzens? Oder ist ihr Drang nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung als Vorzeichen für die Frauenbewegungen der folgenden Jahrzehnte zu werten?
Maria Bayer wird 1843 in Mödling als Tochter eines Holzhändlers und späteren Landschaftsmalers geboren. 1863 heiratet sie Carl Kaiser, der 1865 Hofarchitekt von Kaiser Maximilian in Mexiko wird. Maria bleibt zunächst mit dem gemeinsamen Kind bei den Schwiegereltern in Wien zurück, die Sehnsucht nach ihrem Ehemann ist jedoch so groß, dass sie es noch kurz vor dem Ende des Kaiserreiches wagt, ihm nach Mexiko zu folgen. Dort erlebt sie eine neue Form der Eigenständigkeit, wird verehrt und umworben. Zu Jahresende 1866/67 kehrt sie alleine nach Wien zurück und verliebt sich in einen anderen Architekten, Hugo Ernst. Dieser kann ihr aufgrund seines finanziellen Aufstiegs in der Ringstraßenzeit ein gesichertes und komfortables Leben bieten. Dennoch zieht sie, als die Liebe brüchig wird, aus der ehelichen Wohnung aus und versucht ihren Lebensunterhalt als Verschnürerin selbst zu verdienen.
Diese Dokumentation unternimmt den Versuch, das Leben dieser außergewöhnlichen Frau anhand von verschiedenem Quellenmaterial nachzuzeichnen und dabei ihre Beweggründe ausfindig zu machen. Im Zuge der Recherchen wurde ein umfangreicher Nachlass des ersten Ehemannes Carl Kaiser aufgefunden, der zahlreiche Briefe und andere Dokumente enthält. Dank dieses Fundes, der hier erstmals öffentlich zugänglich gemacht wird, kann ein authentisches Bild Maria Bayers und ihrer Zeit gegeben werden, wobei auch neue Erkenntnisse zum maximilianischen Kaiserreich sowie zum architektonischen Schaffen von Carl Kaiser gewonnen werden können. Zahlreiche Bilder bieten neben den Textzeugnissen einen umfassenden Einblick in die damalige Gesellschaft.
Ausgehend von Forschungen zur Villa Elfenhain (Villa Ernst/Borgfeldthof/Villa Hönigschmied) in Kaltenleutgeben, deren Ergebnisse vom selben Autor ebenfalls im Verlag Bibliothek der Provinz 2006 in einem Band gleicher Ausstattung vorgestellt wurden, spannt sich der Bogen von Hugo Ernst zu Maria Bayer, Tochter eines Mödlinger Holzhändlers und Malers. Somit „betritt“ man Mödlinger Boden und ist überrascht von der Fülle an bisher nicht oder kaum bekannten Fakten und Details, die in zu ihrer Zeit bedeutende Künstler- und Wirtschaftskreise führt, die von Mödling über Wien bis letztlich in das nicht lang bestehende Kaiserreich Maximilians I. von Mexiko reichen.
Rezensionen
Horst Doležal: [Rezension]Maria Bayer, 1843 in Mödling geboren, heiratet 1863 Carl (später Karl Gangolf) Kaiser, Bildhauer und Architekt. Dieser nimmt zwei Jahre später über Empfehlung von Friedrich Schmidt die Stelle eines Hofarchitekten bei Maximilian I. an. Maria reist ihrem Mann nach, doch finden wir sie bereits im Februar 1867 – nach dem Scheitern des „Mexikanischen Abenteuers“ – wieder in Wien. Ihre Ehe mit Carl Kaiser ist zerrüttet und wird im Juni 1869 gerichtlich „in Form der Trennung von Tisch und Bett“ geschieden. Eine Auflösung der Ehe war dem damals gültigen Recht nach nicht möglich. Kurz darauf lebt Maria mit dem seit Jugend an bekannten Hugo Ernst, Sohn des Dombaumeisters Leopold Ernst, in Wien IV., Beatrixgasse zusammen. Aus dieser Verbindung werden drei Kinder geboren. Fünfzehn Jahre später beschritten Maria und Hugo den Weg einer „Siebenbürger“ Eheschließung. Nach der Erwerbung der ungarischen Staatsbürgerschaft und dem Übertritt zum evangelischen Glauben konnten sie nach ungarischem Recht rechtsgültig am 18.5.1884 in Budapest getraut werden. Diese Trauung wurde am 21.10.1895 in Wien wiederholt – sechs Wochen, nachdem Carl Kaiser 58-jährig verstorben war. Maria Johanna Antonia, geb. Bayer, gesch. Kaiser, verh. Ernst stirbt am 6.6.1914 an Darmkrebs mit Herzversagen in Baden. Sie wurde am Friedhof in Mödling, wie auch Hugo Ernst und die Kinder aus dieser Ehe, beigesetzt. Das Grab existiert heute noch nahe der Schöffelkapelle.
Der bewegte Lebenslauf dieser für ihre Epoche sehr selbständig agierenden Frau, die durch ihre mehrfachen auch außerehelichen Beziehungen die Höhen und Tiefen des gesellschaftlichen Lebens kennen lernte, wird sehr detailreich nachgezeichnet, wobei u.a. erhaltene Teile ihrer Korrespondenz als Quelle dienen. Für Mödling besonders interessant ist das erste Kapitel über „Mödling im Jahre 1841 und die Familie Bayer“.
Die vielen im gesamten Buch eingearbeiteten (belegten) Einzelinformationen zu verschiedenen Themen lenken gelegentlich vom „roten Faden“ ab, ermöglichen aber dafür ein kurzweiliges Lesevergnügen, das durch die zahlreichen farbigen und s/w Abbildungen – zum Teil erstmals veröffentlicht – noch verstärkt wird.
So bleibt der Wunsch, dass der eine oder andere nur am Rande gestreifte Punkt Anstoß gibt dafür, in weiteren Forschungen die Kenntnis zu einzelnen Bereichen zu vertiefen.
(Horst Doležal, Rezension in der Kulturzeitschrift medilihha, 2. Jahrgang, Nr. 03/2010)